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Urteile

Urteile zum Dieselskandal von BMW

18.12.2020

EuGH-Urteil: Abgasskandal holt gesamte Automobilindustrie ein


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich verbraucherfreundlich im Dieselskandal positioniert. Die verantwortlichen Richter bewerteten Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen als illegal, sofern der Schadstoffausstoß dadurch im normalen Straßenbetrieb über den Werten auf dem Prüfstand liegt. Der Abgasskandal holt nun nahezu sämtliche namhafte Fahrzeughersteller ein. Der Automobilindustrie drohen Rekord-Rückruf- und –Klagewellen.


Das Urteil bringt fünf Jahre nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals sehr viel Klarheit in die Sache. Schon lange steht fest, dass nicht nur Volkswagen die eigenen Automobile manipuliert hat. Auch weitere große Autobauer wie Daimler, BMW, Volvo und Fiat haben Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen verbaut. Nun ist klar: Diese Form der Manipulation war illegal. Für betroffene PKW-Halter standen die Chancen nie besser, erfolgreich Schadensersatzansprüche durchzusetzen.


Bislang rechtfertigten viele Hersteller die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit dem Schutz des Motors. Dieser Argumentation folgten die EuGH-Richter jedoch nicht. So sei eine Abschalteinrichtung nur dann erlaubt, wenn der Motor ohne die Abschalteinrichtung unmittelbare Schäden erleidet oder wichtige Funktionen wie die Lenkung ausfallen würden. Im Normalfall schützen Abschalteinrichtungen jedoch höchstens vor dem Verschleiß oder der Verschmutzung des jeweiligen Motors.


Der Abgasskandal wird uns wohl trotz dieses Urteils noch einige Zeit begleiten. Die nationalen Gerichte müssen im nächsten Schritt die Legalität der verschiedenen Abschalteinrichtungen der unterschiedlichen Hersteller einzeln bewerten. Dabei werden sie sich an der verbraucherfreundlichen Rechtsauslegung des EuGH orientieren. 


In Deutschland hat der Bundesgerichtshof diesbezüglich bereits zwei Verfahren angesetzt: Im Februar befassen sich die BGH-Richter mit der Zulässigkeit des VW-Software-Updates, das ebenfalls eine Abschalteinrichtung enthält. Im März steht dann ein Verfahren im Rahmen des Daimler-Dieselskandals an.

 

Deutsche PKW-Halter sollten sich schnell wehren – Verjährung droht


Für betroffene Verbraucher entsteht durch den Abgasskandal ein enormer Schaden. Die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen ist in den vergangenen Jahren bereits stark eingebrochen und die Fahrzeuge haben aufgrund des Abgasskandals an Wert verloren. Dieser Wertverlust betrifft nachweislich manipulierte Autos umso mehr. 

Die Halter von manipulierten Fahrzeugen können sich jedoch gegen den Betrug wehren und hohe Entschädigungen durchsetzen. Wir raten betroffenen PKW-Besitzern, ihre Ansprüche schnell geltend zu machen. Der deutsche Bundesgerichtshof positionierte sich nämlich zuletzt nicht sehr verbraucherfreundlich zum Thema Verjährung im Abgasskandal. Wer zu lange mit der Durchsetzung seiner Rechte wartet, hat demnach möglicherweise keinen vollen Schadensersatzanspruch mehr.   


Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal 


Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten.   


Jetzt also doch BMW:
Das Landgericht Düsseldorf hat am 31. März 2020 als erstes Gericht BMW zur Rücknahme eines Diesel-PKW verurteilt (Az. 7 O 67/19).

Die Begründung: Der Autobauer habe eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt. Mit diesem ersten Urteil ist der Autobauer aus Bayern mitten im Diesel-Abgasskandal angekommen. Für das Gericht stand außer Frage, dass BMW den Verbraucher sittenwidrig getäuscht und geschädigt hat. Die sehr teuren Fahrzeuge sind im Wert durch die Abgasmanipulation eindeutig gemindert.

Landgericht Düsseldorf sieht sittenwidriges Handeln nach §826 BGB

Im vorliegenden Fall kaufte der Kläger im Mai 2017 ein Gebrauchtfahrzeug BMW X1 zum Preis von 20.900,00 EUR. Im Februar 2019 zog er vor Gericht und verlangte die Rücknahme des Fahrzeugs. Seiner Meinung nach enthielt der Motor eine unzulässige Abschalteinrichtung zur Manipulation des Abgaskontrollsystems. Das Gericht folgte der Argumentation des Klägers und verurteilte BMW zur Rücknahme des Autos und Zahlung von 14.783,77 Euro (Kaufpreis minus Nutzungsentschädigung) und sah eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB. „Das Fahrzeug“, so das Gericht, „verfügt über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Artikel 5 Absatz 2 EG-VO 715/2007. (…)  Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig zu qualifizieren und erfolgte vorsätzlich. (..) Bei der Verwendung von "Thermofenstern" handelt es sich um eine Abschalteinrichtung“ im Sinne des EU-Rechts.

Durch die Programmierung des "Thermofensters", führte das Gericht weiter aus, wird die Abgasrückführung bei kühleren und besonders hohen Temperaturen zurückgefahren.  Sofern die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur von unter 17 Grad und über 33 Grad reduziert bzw. vollständig ausgeschaltet wird, stellt dies eine Abschalteinrichtung dar, weil eine Software die Außentemperatur erkennt und die Funktion des Emissionskontrollsystems verändert. oder sogar deaktiviert. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird durch Implementierung dieses Systems an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalem Fahrbetrieb herrschen, angepasst.

Ob das sogenannte "Thermofenster" rechtlich zulässig ist oder nicht, darüber streiten sich Automobilkonzerne und Juristen bereits seit Jahren. Die Industrie hält den Einsatz dieser Technik zum Schutz des Motors für notwendig und sogar legal. Experten sehen das jedoch komplett anders. Professor Martin Führ, Umweltrechter von der Universität Darmstadt und Gutachter für den Abgas-Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag, stellt klar: "Thermofenster ist eine Umschreibung für eine Abschalteinrichtung. In den Rechtsnormen gibt es diesen Begriff nicht, das ist eine Erfindung der Automobilindustrie, um die Abschalteinrichtung zu verschleiern." Auch Fachleute im Bundesumweltministerium sahen das nach Informationen des Bayerischen Rundfunk im Mai 2016 in einem internen Vermerk so: "Der Begriff 'Thermofenster' existiert im EU-Abgasregelwerk nicht. Es handelt sich hier um einen (geschickt gewählten) Euphemismus dafür, dass die Abgasnachbehandlung von Herstellern unterhalb (oder oberhalb) bestimmter Temperaturen heruntergefahren oder abgeschaltet wird."

Landgericht bezieht sich auf BGH-Urteil in Daimler-Verfahren

Das Landgericht Düsseldorf bezog sich ausdrücklich auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2020 (Az. VIII ZR 57/19). Der BGH stellte erneut fest, dass eine Abschalteinrichtung ein Sachmangel ist. Es genüge, wenn Kläger vor Gericht für seine Behauptungen hinreichende Anhaltspunkte vorbringen. Zudem dürfe es ihm nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er selbst kein zuverlässiges Wissen besitze und auch nicht erlangen könne.
Für das Landgericht Düsseldorf ergeben sich im vorliegenden Fall die greifbaren Anhaltspunkte des Klägers aus den Messergebnissen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der Test zeigt nach acht Messungen, dass der durchschnittliche NOx-Ausstoß bei 212 mg/km lag und den zulässigen Grenzwert damit um das 2,6- fache überschreite. Die Messung der DUH bezog sich zwar auf das Fahrzeugmodell BMW 320d, bei welchem das Nachfolgemodell B47 des im Fahrzeug des Klägers verbauten Motors N47 eingebaut ist. Doch wenn das mit dem "verbesserten" Nachfolgemodell ausgestattete Versuchsfahrzeug die zulässigen Grenzwerte um das 2,6-fache überschreitet, dürfte dies "erst recht" für das im Klägerfahrzeug verbaute Vorgängermodell gelten, argumentierte das Gericht in seiner Begründung.

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